Urteil zu Veranstaltungstickets auf Kryptowährungen anwendbar?
/Welche Erkenntnisse mag ein Verfahren beim Bundesfinanzhof zum Thema “Wiederveräußerung von Veranstaltungstickets” auf die Frage der “Kryptowährungen” bringen?
Hierzu sehen wir uns das ursprüngliche Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 02.03.2018 (5 K 2508/17) genauer an.
Es galt die Frage zu klären, ob das Weiterverkaufen von Veranstaltungstickets in den Anwendungsbereich der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften fällt? Was war passiert?
Der Steuerpflichtige ist sportbegeistert und wollte mit seinem Sohn das Champions-League-Finale 2018 sehen. Tatsächlich gelingt es ihm auch über die offizielle UEFA-Webseite 2 Karten zu einem Preis von 330 € zu ergattern. Nachdem der Steuerpflichtige enttäuscht feststellt, dass das Finale ohne seinen Lieblingsverein stattfinden wird, entschließt er sich zum Verkauf der Karten. Der Verkauf erfolgt über eine Ticketplattform innerhalb von einem Jahr nach Erwerb. Der Erlös nach Abzug der Gebühren betrug 2.907 €.
Das Finanzamt ging von steuerpflichtigen Einkünften aus und setzte 2.577 € (Erlös 2.907 € abzgl. Ankauf 330 €) als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG an, da die Karten innerhalb der dort genannten Jahresfrist veräußert wurden. Es handelt sich nach Ansicht des Finanzamtes auch nicht um Gegenstände des täglichen Gebrauchs, die steuerbefreit wären (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 2 EStG).
Diesem widersprach das Finanzgericht. Was sind die Grundlagen der Entscheidung?
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen private Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern (als Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten) als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 2 EStG) der Besteuerung, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt und es sich nicht um Gegenstände des täglichen Gebrauchs handelt.
Zwar haben die Kläger mit dem Verkauf der Finalkarten innerhalb eines Jahres ein Wirtschaftsgut veräußert, denn das in der Eintrittskarte verkörperte Recht zum Besuch einer Veranstaltung stellt einen vermögenswerten Vorteil dar, der selbständig bewertbar sei. Bei verfassungskonformer Auslegung handele es sich bei den hochpreisigen Eintrittskarten jedoch um Wertpapiere.
Wertpapiere fallen seit dem Unternehmenssteuerreformgesetz nicht mehr unter den Anwendungsbereich des § 23 EStG, womit sich auch die Frage des Gegenstandes des täglichen Gebrauchs nicht mehr stellt. Die Besteuerung der Wertpapiere ist nunmehr abschließend in § 20 EStG geregelt.
In § 20 Abs. 2 EstG sind die Veräußerungstatbestände, die als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu klassifizieren sind, abschließend aufgezählt. Der Gewinn aus der Veräußerung der Eintrittskarten kann aber keiner dieser Sachverhalte subsumiert werden. In der Aufzählung ist auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art genannt (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG). Nach Ansicht des Finanzgericht handelt es sich bei den Eintrittskarten aber nicht um eine solche Kapitalforderung, da der in ihr enthaltene Anspruch nicht auf Geld, sondern auf den Zutritt zu einer Veranstaltung gerichtet ist.
Laut dem Finanzgericht gibt es also keine gesetzliche Grundlage zur steuerlichen Erfassung solcher Vorgänge.
Dies ist ein zu Gunsten der Steuerpflichtigen ergangenes Urteil, das das Finanzamt nicht hinnehmen möchte. Aus diesem Grund wurde die Frage dem Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren (Aktenzeichen: IX R 10/18) vorgelegt. Was ist zu tun?
Vorgänge dieser Art sollten in der Steuererklärung bis zur Entscheidung auf jeden Fall erfasst werden. Gegen den dann ergangenen Bescheid sollte ein Einspruch, gestützt auf das obige Urteil, eingelegt werden. Ferner sollte das Finanzamt auf die gesetzliche Verfahrensruhe gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO hingewiesen werden.
Update 02.04.2020:
Der Bundesfinanzhof stimmt mit seinem Urteil vom 29.10.2019 (veröffentlicht am 02.04.2020) den Ausführungen des Finanzgerichts Baden-Württemberg nicht zu. Er entschied, dass die Kläger mit der Veräußerung der Tickets ein privates Veräußerungsgeschäft verwirklicht haben:
Einkünfte aus solchen privaten Veräußerungsgeschäften unterliegen der Einkommensteuer. Zu ihnen gehören u.a. Veräußerungen von sog. "anderen Wirtschaftsgütern" des Privatvermögens, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt; von der Besteuerung ausgenommen sind Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs.
"Andere Wirtschaftsgüter" in diesem Sinne sind sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind.
Hierzu zählen auch UEFA Champions League-Tickets, mit denen der Karteninhaber das verbriefte Recht auf Zutritt zum Fußballstadion und Besuch des Fußballspiels an dem auf dem Ticket angegebenen Tag erwirbt.
Die Tickets stellen nach Auffassung des BFH insbesondere keine sog. "Gegenstände des täglichen Gebrauchs" dar, so dass sie nicht von der Besteuerung ausgenommen sind.
Außerdem hat der BFH bestätigt, dass die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 EStG nicht vorliegen. Denn die Tickets sind zwar nach zivilrechtlicher Betrachtungsweise Wertpapiere, erfüllen jedoch nicht die Merkmale einer Kapitalanlage. Eine ggf. günstigere Besteuerung mit dem Sondertarif für Kapitaleinkünfte (Kapitalertragsteuer 25% zzgl. Solidaritätszuschlag ggf. zzgl. Kirchensteuer) kann somit nicht angewendet werden. Die Einkünfte werden dem normalen Einkommenssteuertarif unterworfen.
Was hat das nun mit Kryptowährungen zu tun?
Der Begriff der Wertpapiere ist im EStG nicht legaldefiniert.
Der Gesetzgeber verwendet den Begriff „Wertpapier” bald in einem weiteren, bald in einem engeren Sinne. Dessen Bedeutung ist daher im jeweiligen Normzusammenhang durch Auslegung zu ermitteln. Insbesondere die Definition in § 2 Wertpapierhandelsgesetz lässt sich damit nicht ohne weiteres auf das EStG übertragen.
Es gilt also abzuwarten, ob das Wirtschaftsgut “Kryptowährung” unter diesen Umständen nicht ggf. auch als spezielles Wertpapier einzustufen sei, also eine “Verbriefung besonderer Art”. Kryptowährungen sind keine Gegenstände, sondern sog. hash-Werte im „Nirwana“ des Internets. Ob es ein Wirtschaftsgut im eigentlichen Sinne ist, könnte durch dieses Verfahren fraglich werden.
Dann wiederum würden die Verkäufe von Kryptowährungen allerdings das Schicksal der Verkäufe von Eintrittskarten teilen, denn auch die Kryptowährungen wäre m.E. nicht einem der Tatbestände des § 20 Abs. 2 EStG zu subsumieren.
Dies ist jedoch eine reine Hypothese. Das Urteil des Bundesfinanzhofes muss daher erstmal abgewartet werden.
Kryptowährungen im Steuerrecht bleiben somit weiter spannend.
Bezüglich der Besteuerungen von Kryptowährungen siehe auch meinen Blog-Eintrag vom 30. April 2018.