Erstes Urteil zum Rückkauf von VW-Dieselmodellen vom Landgericht Hildesheim vom 17. Januar 2017

Eine richterliche Anordnung aus dem September 2016 verpflichtet VW in den USA rund 499.000 vom Dieselabgasskandal betroffene Modelle mit Zweiliter-TDI-Motor zurückzukaufen, wenn es der Kunde wünscht. Die Diesel-Besitzer sollen dabei so viel Geld bekommen, wie ihr Auto vor Bekanntwerden der Manipulationen wert war. Dazu gibt es eine Entschädigung die zwischen 5.100 und knapp 10.000 Dollar pro Fahrzeug liegen kann und vom Alter des Autos abhängig ist.

Nun erging in Deutschland das erste Urteil zum Thema Diesel-Gate-Skandal. Das Landgericht Hildesheim hat der Klage des Käufers eines Skoda Yeti gegen die Volkswagen AG auf Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen stattgegeben (Urteil vom 17.01.2017 - 3 O 139/16).

Kernaussage der Richter ist, dass die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt hat (§ 826 BGB).

VW hat Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs u. a. in Fahrzeugen der Marke Skoda in den Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte. Dadurch hat das Fahrzeug weniger Stickoxide als im „Echtbetrieb“ auf der Straße abgegeben. Insbesondere das Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung, die gegen europäische Vorgaben zur Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen verstößt, wurde vom Gericht abgemahnt.

Durch diese Handlung hat der Kläger einen Vermögensschaden erlitten, der darin besteht, dass er in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware den streitgegenständlichen PKW erworben und damit einen ihm wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen hat. Dass es sich bei diesem Vertrag um einen für den Kläger wirtschaftlich nachteiligen handelt, zeigt bereits die Überlegung, dass kein verständiger Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn die Beklagte ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform sei. Der Kläger habe nicht das bekommen, was ihm aus dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug.

Auch hat die Beklagte dem Kläger den Schaden vorsätzlich zugefügt: Mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte muss davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar war, dass die Beklagte Dieselmotoren an Tochterunternehmen wie etwa Skoda lieferte und auch selbst in eigenen Fahrzeugen verkaufte, die hinsichtlich der Abgaswerte nicht den einschlägigen Vorschriften entsprachen, und dass somit die Kunden der Beklagten selbst und ihrer Tochterunternehmen wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abschlossen. Der Vortrag „man kläre gerade die Umstände auf“, ohne dass bereits konkrete Ergebnisse vorliegen, sei schon in Anbetracht des Zeitablaufs seit Entdeckung der Manipulation unzureichend und im Übrigen auch unglaubhaft. Bei dem Einsatz der Motorsteuerungssoftware handele es sich um eine Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Reichweite, bei der kaum anzunehmen sei, dass sie von einem am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwickler in eigener Verantwortung getroffen wurde.

Anders als in den USA hat der Kläger nach Auffassung der Kammer Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises und nicht nur eines etwaigen Minderwertes. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Volkswagen-Konzern will gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim zugunsten eines Skoda-Käufers Berufung einlegen. „Wir halten die Auffassung des Gerichts für rechtlich verfehlt und gehen davon aus, dass seine Entscheidung in der Berufungsinstanz aufgehoben wird“, sagte ein Sprecher am Mittwoch auf Anfrage dieser Zeitung Hildesheimer Allgemeine. VW hat nach dem Urteil einen Monat Zeit, beim Oberlandesgericht in Celle Berufung einzulegen.

Der Konzern verweist unter anderem auf Urteile der Landgerichte Köln und Ellwangen, die in vergleichbaren Fällen gegen die Kläger entschieden hätten. Auch Klagen von Kunden gegen Autohändler seien „in rund 75 Prozent der Fälle“ gescheitert. Die Haltung des Landgerichts Hildesheim stehe der „ganz überwiegenden Rechtsprechung“ entgegen.

VW argumentiert vor allem, zwischen dem Autokäufer und dem Konzern selbst gebe es gar keine Geschäftsbeziehung – und folglich auch „keine Anspruchsgrundlage“ gegen VW.

Die in den USA vereinbarten Entschädigungen waren Resultat eines Vergleichs. Ob ein ähnlicher Vergleich in Deutschland zu erwarten ist, ist auch aufgrund des ausstehenden Berichtes des derzeitigen 5. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages nicht abzuschätzen.

 

Quellen:
Urteil des LG
Dazu die Pressemitteilung des LG
Untersuchungsausschuss
Reaktion von VW in der Zeitung Hildesheimer Allgemeine